Steinstele 6: Im Angesicht des Todes für das Leben einstehen

 

                                                                                                      

gewidmet dem Widerstand französischer Zwangsarbeiter

 


 

Thema des Zeichens:
Französische Zwangsarbeiter, die im Arbeitslager im Vorwerk untergebracht waren, hatten den Mut zur Sabotage.

Das Vorwerk war ein Munitionswerk, das 1940 erbaut worden ist und ein Zulieferungslager zum Finower Flugplatz war. Im Keller wurden Bomben gedreht. Ca. 80 bis 100 Zwangsarbeiter, überwiegend Franzosen, haben die Bomben in Kisten verpacken und etikettieren müssen. Als bei einem Großangriff in der Sowjetunion Bomben abgeworfen wurden, die alle nicht explodierten, konnte man aufgrund der Kennzeichnung der Munitionskisten den Herstellungsort zurückverfolgen.

Obwohl die Franzosen wussten, dass dies ihr eigenes Leben gefährden würde, waren sie doch entschlossen gewesen, nicht den Tod über Andere zu bringen. 10 Französische Zwangsarbeiter wurden von der Gestapo im Vorwerk abgeholt. Über ihr weiteres Schicksal ist uns nichts bekannt.

Den eigenen Idealen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit unter den menschenverachtenden Bedingungen des 2. Weltkrieges treu zu bleiben, erfordert besonderen Mut. Daran möchten wir mit dieser Stele erinnern. Die Schüler*innen haben versucht, dieser mutigen Tat und inneren Haltung in der aufrechten und doch beweglichen Figur Ausdruck und Würdigung zu geben.

 

Historischer Ort:Vorwerk“ Biesenthal

Zeitzeugenbericht Fred Keilhaus
„Vom Mai 1941 bis Mitte 1942 war ich im Fliegerhorst Finow (Mark) als Nachschubsoldat stationiert. Das Vorwerk – ein riesiges Gelände mit etwa 15 Hallen – zwischen Finow und Biesenthal … In einer der Hallen wurden von einigen französichen Zwangsarbeitern unter Anleitung von deutschen Zivilarbeitern Bomben jeden Kalibers in Kisten verpackt, etikettiert und in Eisenbahnwagons verladen. Das Vorwerk hatte Gleisanschluss und von dort aus gingen die Wagons, zu den Zügen zusammengestellt, an die Frontflughäfen in Ost und West.
Eines Tages, es war Mittagspause, lagen die französischen Arbeiter vor der Halle im Gras und kratzten die letzten Reste aus dem Kochgeschirr. Plötzlich gab es einen Zwischenfall. Drei Gestapobeamte gingen mit gezogener Pistole zu den Franzosen und forderten fünf davon auf, sofort in die Halle zu gehen. Das Tor wurde geschlossen. Nach etwa zehn Minuten kamen die fünf und gingen wieder an ihre Arbeit. Alle schwiegen, aber man sah deutlich Trotz in ihren Gesichtern, als sie wieder an die Arbeit gingen.“  (
Sie hatten paix (Frieden) auf die Kisten geschrieben und mussten es wegkratzen.)
„Doch eines Tages wurde es ernst, kurz vor Feierabend fuhr ein Omnibus mit zehn SS-Leuten in die Halle und verhaftete eine Arbeitskolonne von 10 französischen und deutschen Arbeitern. Trotz größter Geheimhaltung sickerte es durch: In Kisten dieser Kolonne waren entschärfte Bomben festgestellt worden. Es ist keiner der Arbeiter wieder zurückgekehrt. Möglich, dass die von den faschistischen Fliegern am 3. Juli 1941 auf den sowjetischen Bahnhof Dretun abgeworfenen und nicht explodierten Bomben von dieser Kolonne stammten.“
Quelle: Entschärfte Bomben, Zuschrift von Fred Keilhaus, ND 9.8.1958

Aus dem Biesenthaler Amtsblatt

„Im Zusammenhang mit dem Ausbau des Flugplatzes Finow für die deutsche Luftwaffe wurden sichere, abseits gelegene Lagerräume für Flugzeugteile, Ausrüstung und Munition benötigt. Deshalb begann man 1940 mit dem Bau des als „Vorwerk“ bezeichneten Depot-Komplex an der Finower Chaussee. Für einen Eisenbahnanschluss wurden Gleise, Bahnsteige und Rampen geschaffen. […] Auf dem Vorwerksgelände standen schon damals 15 große Hallen, vollständig unterkellert, so dass sogar LKWs in die unterirdischen Hallen hineinfahren konnten. Weiterhin gab es mehrer Schuppen und Baracken… Die offizielle Bezeichnung lautete dann Fliegerhorst Finow – Fliegerhorst-Kommandatur A(O) 28 III.“ […]
Im Vorwerk waren ca 300 Männer und Frauen der Zivilbevölkerung und ca. 100 Soldaten tätig. Die Zahl der Zwangsarbeiter schätzte man auf 80 – 100; überwiegend Franzosen.“
Ab 1940 wurden französische Kriegsgefangene als Zwangsarbeiter in Biesenthal eingesetzt. Ab 1942 wurden Zivilarbeiter zur Zwangsarbeit in Deutschland verpflichtet. Dieser Zivildienst kam bei den Franzosen einer Einberufung gleich. Während des Krieges arbeiteten die Franzosen als Zwangsarbeiter auf dem zur Luftwaffe gehörenden „Vorwerk“ an der Finower Chaussee. Im Vorwerk bauten sie Bomben und Munition. Viele wurden von der Gestapo verhaftet, weil sie Bombenzünder unbrauchbar machten oder auch nur „Frieden“ mit Kreide auf die Bomben geschrieben hatten.
[…] Am 21. April 1945 war der letzte Arbeitstag der Zwangsarbeiter – vermutlich wurden sie von den einmaschierenden Truppen befreit.“
Quelle: Gertrud Poppe, Biesenthaler Amtsblatt, Serie: „Biesenthal vor 50 Jahren“, April 1995, S. 20-21.

Standort der Steinstele: Finower Chaussee